Dies ist eine Weiterentwicklung des tollen Projekts "Calliope weiß wie groß du bist" von Weja. Seine Idee, nur mit einem Calliope mini und einer Schnur die eigene Körpergröße (oder die Höhe beliebiger Gegenstände) zu ermitteln, ist im folgenden Text ausführlich erklärt und steht mit einem neuen Programm zum Download bereit.
Der physikalische Hintergrund ist, dass die Zeit, die ein Pendel braucht, um einmal hin und her zu schwingen, nur von seiner Länge abhängt. Wenn man also den Calliope an einer Schnur aufhängt (am besten durch die beiden oberen Touch-Pins ziehen), so dass er fast den Boden berührt und das andere Ende auf Kopfhöhe hält (oder am oberen Ende irgendeines Gegenstands, dessen Höhe man wissen will), muss man den Mini nur etwas zur Seite ziehen und dann loslassen. Aus der Dauer der Pendelbewegung berechnet er dann die Länge der Schnur. Die wiederum ist ja genauso lang gewählt gewesen, wie wir groß sind oder wie hoch der zu vermessende Gegenstand ist. Nichts anderes wollten wir wissen :-) Und so funktioniert es:
Um die Pendelbewegung zu messen, brauchen wir den Beschleunigungssensor. Er liefert uns Messwerte für alle drei Raumachsen x, y und z. Die liegen beim Calliope so:
Lassen wir den Mini also einfach mal versuchsweise hin und her pendeln und plotten diese Werte, am besten mit der Arduino IDE:
Wir sehen zwei Dinge: Erstens: Die Gesamtstärke S (gelb eingezeichnet) hängt fast ausschließlich von den Kräften auf der Y-Achse (rot) ab, beide Kurven liegen praktisch übereinander. Denn das ist die Richtung, an der die Schnur den Calliope entgegen der Erdanziehung auf seiner Pendelbewegung hält. X (blau) und Z (grün) spielen praktisch keine Rolle, deren Werte schwanken nur leicht um 0. Zweitens, und sicher weniger überraschend: Der Ausschlag des Pendels wird im Laufe der Zeit immer geringer, bis es irgendwann zur Ruhe kommt. Auch die Ausschläge der roten Kurve werden folglich immer flacher, bis sie schließlich 1000 milli-g, also 1 g erreichen wird, wenn das Pendel einfach still an der Schnur hängt.
OK, wir müssen uns also nur die Werte auf der Y-Achse ansehen. Aber wie kriegen wir die Zeit raus, die ein Pendelschwung dauert? Hier muss man eine Sache wissen (oder im Experiment beobachten): Die Kurve erreicht ihr "Spitze" immer dann, wenn das Pendel genau in der Mitte ist, denn dann übt die Schnur die meiste Kraft aus.
Im folgenden Bild ist die rote Kurve von oben herausgegriffen und einmal übersichtlicher mit Excel nachgezeichnet. Die blauen Pfeile zeigen die Position des Pendels:
Im Laufe einer kompletten Pendelbewegung ist das Pendel genau 2x in der Mitte: einmal auf dem "Hinweg" (sagen wir: von rechts nach links) und einmal auf dem "Rückweg" (von links nach rechts). Den zeitlichen Abstand zwischen diesen "Spitzen" wollen wir messen.
Und wie geht das? Wir nehmen uns eine feste Schwelle, hier etwa 1075 milli-g, bei der wir sagen: das Pendel befindet sich auf dem Weg in die Mitte. Wenn diese Schwelle zum ersten Mal erreicht ist, stoppen wir die Zeit (erster gelber Kreis in der Abbildung oben). Und wenn das das nächste Mal passiert, stoppen wir wieder die Zeit (nächster gelber Kreis). Und dann wieder. Die Zeit zwischen diesen Ereignissen (grüner Pfeil) ist die Dauer einer halben (!) Pendelbewegung. Das machen wir ein paar Mal und nehmen den Durchschnitt, um sicherzustellen, dass die Messabweichung nicht zu groß ist. Wenn die Kurve irgendwann immer unterhalb von 1075 milli-g bleibt, hören wir auf, da steht das Pendel schon fast still. Diese Taktik ist leichter, als die Maximalwerte zu finden, weil die Bewegung ja im Laufe der Zeit immer mehr abnimmt.
Nun brauchen wir noch einen Trick: Wenn das Pendel die Mitte erreicht hat, dauert es eine Weile, bis der Messwert wieder unter 1075 fällt. Das müssen wir abwarten, um nicht irrtümlich den nächsten Ausschlag zu registrieren, wenn der aktuelle noch gar nicht vorbei ist. Wir ignorieren daher eine Zeit lang alle eingehenden Messwerte (in der Abbildung grau hinterlegt). Die Dauer dieser Pause muss man sich vorher überlegen. Sie bestimmt einen Bereich von unterschiedlichen Längen, die man letztendlich messen kann.
Nun wissen wir also die (halbe) Dauer einer kompletten Pendelbewegung. Die Formel, die die Länge des Pendels ergibt, können wir z. B. bei Wikipedia nachschlagen, im Artikel "Mathematisches Pendel". So umgestellt, dass die gesuchte Länge auf einer Seite steht, lautet sie:
Dabei ist l die Länge, die wir suchen, T0 die Periodendauer, die wir messen und g ein fester Wert, nämlich die Erdbeschleunigung (ca. 9, 81 m/s^2; auf dem Mond müsste man eine andere Konstante verwenden, aber wir bleiben ja hier ;-)).
Das können wir fast 1:1 als Programm in MakeCode übernehmen. Es fehlt dort der Faktor "2" vor dem Pi, weil wir ja immer nur eine halbe Pendeldauer messen (s. o.). Dafür teilen wir an einer anderen Stelle zusätzlich durch 100, weil wir anders als in der Formel oben Millisekunden statt Sekunden messen und Zentimeter statt Meter anzeigen wollen:
Zum Start der Messung drücken wir die Reset-Taste und lassen den Calliope dann pendeln. Bei jedem erkannten Pendelschwung blinkt das Display kurz auf. Mit einem Häkchen im Display zeigt uns der Calliope an, wenn er mit der Messung fertig ist. Dann können wir ihn hochnehmen. Sollte kein Häkchen erscheinen, war die Messung nicht erfolgreich, dann versuchen wir es noch einmal, vielleicht war etwas mehr Schwung nötig.
Knopf A verrät uns im Anschluss das das Ergebnis der Berechnung: die Länge des Pendels in Zentimetern. Zur Kontrolle können wir mit Knopf B die gemessene (halbe) Pendeldauer in Millisekunden anzeigen.
Mit der folgenden Tabelle können wir überprüfen, ob der Calliope richtig gerechnet hat:
Oben war schon beschrieben, dass unser Programm regelmäßig für eine kurze Zeit alle eingehenden Messwerte ignorieren muss, um die Pendeldauer zuverlässig feststellen zu können. Hier habe ich 700 ms gewählt. Damit können wir alles abmessen, was ungefähr zwischen 50-200 cm lang ist. In der Praxis sollte das ein brauchbarer Bereich sein. Nicht immer werden die Ergebnisse auf den Zentimeter genau präzise sein, aber mehr als ein paar Zentimeter Abweichung sollten es in den meisten Fällen nicht sein. Und dass es überhaupt möglich ist, mit dem Calliope mini ganz ohne Zollstock Dinge auszumessen, ist doch ziemlich cool, oder? ;-)
Viel Spaß beim Ausprobieren!Thorsten Kimmeskamp




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